Ein heller Wintertag am Strand von Corpus Christi. Wir sind in Amerika. In Texas. In god’s own country. Ich bin zwei Stunden gefahren, um den Golf von Mexiko zu sehen. Als wir den Landungssteg betreten, macht uns eine ältere Dame darauf aufmerksam, dass wir ihr vier Dollar schulden. Sie sitzt in einem Holzhaus und lächelt sehr freundlich. In der Maserung haben sich Salzkristalle eingelagert. Mein Sohn steht hinter mir. Er blinzelt in das winterliche Ziehlicht. Er ist fünfzehn und zu früh aufgestanden. Eine weiße Baseballkappe verdeckt seine Augen. Dennoch strahlt er diesen schweigsamen, sportlichen Charme aus, für den andere in seinem Alter töten würden. Zwei Dollar Eintritt für einen Steg. Ich bezahle und wir schlendern aufs Meer hinaus. Angler sitzen auf den Bänken. Ein alter Mann ohne Zähne. Andere in weiten Hosen und Rollkragenpullovern. Nach dreihundert Metern versperrt uns eine verwitterte Brüstung den Weg. Vor uns liegt der Golf. Er ist vollkommen glatt und das Wasser hat die Farbe von schmutzigem Sand. Ich drehe mich um und mach ein Foto. Mein Sohn tritt einen Schritt zurück, als wollte er nichts mit diesem Bild zu tun haben. Als wir zurückgehen, zieht ein Junge einen Barsch aus dem Wasser. Sein Vater muss ihm helfen, das Tier aus dem Wasser zu bekommen. Die Schuppen glitzern bläulich im Winterlicht. In seinem Eimer schwimmen noch zwei kleinere Fische. Dafür sind zwei Dollar kein schlechter Preis, sage ich, als wir die Eintrittsdame wiedertreffen. Sie lächelt nicht mehr. Vielleicht ist ihr Vorrat aufgebraucht, denke ich und wir gehen langsam zurück zu unserem Auto.
Diesen Text von Julia Engelmann kennt wohl inzwischen jeder. Ich habe ihn vor ein paar Tagen gehört und mich sofort gefragt was mich eigentlich daran stört. Zugegeben ich neige nicht dazu besonders enthusiastisch zu sein. Meine Mutter hat mal drei Stunden lang versucht mir ein "Ja" abzuringen. Erfolglos. Damals war ich vier. Normalerweise weiß ich sofort was mir nicht passt. Aber in diesem Fall habe ich ein paar Tage gebraucht.
Was mich an dieser Rede der verpassten Gelegenheiten stört, ist das, was nicht gesagt wird. Der Text bedeutet zusammengefasst etwa folgendes: Chillt nicht nur auf dem Sofa, sondern geht raus und erlebt etwas. Wobei das, was erlebt werden soll Dinge sind wie „nachts lange wach bleiben“ und „Feste feiern“ und dergleichen unglaublich abenteuerliche Sachen mehr. Wahnsinn!
Der Text sagt nicht: Tut etwas! Seid ihr selbst! Engagiert euch! Brennt für etwas. Findet eure Bestimmung! Verändert die Welt! Malt Bilder! Schreibt Bücher! Erfindet die Welt neu. Nutzt den unglaublichen Reichtum und die Freiheit, die ihr habt. Erforscht das Weltall oder das Wohnzimmer oder was auch immer. Aber tut etwas, für das es sich zu leben lohnt.
Stattdessen sollen wir „Dopamin vergeuden“ das vielzitierte Glückshormon (eigentlich ein Neurotransmitter). Aber ich bin der Meinung dass es nicht reicht neben der Banklehre gelegentlich mal eine Party steigen zu lassen und auf irgendeinem Hausdach den Sonnenaufgang zu erleben. Das ist wichtig und schön. Aber sollten wir nicht versuchen, uns wirklich für etwas zu begeistern?
Ich fahre wieder Zug. Das ist ein Quell der Freunde. Diesen kleinen Mobilfunk-Monolog habe ich in einem vollbesetzen ICE aufgeschnappt (wörtlich, ich habe mitgeschrieben).
- Nein, Nein ich kann nicht. War gestern beim Arzt.
- Ja jetzt doch.
- Blut im Urin und im Darm.
- Ja auch. Aber nicht sehr hoch.
- Die ganze Nacht. Hinten und Vorne.
- Alles ganz flüssig. Wie Wasser.
- Ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn ich komme.
- Nein. Wirklich. Der Arzt hat gesagt ich bin ansteckend. Und
deine Kinder. Nein, das geht wirklich nicht.
- Nein, ich komme schon zurecht.
- Ich bleib erst mal zuhause. Ich soll ja auch nicht unter Leute
wegen der Ansteckung.
- Mach ich. Wir sehen uns dann.
- Nein, Nein mach dir keine Sorgen, ich komm schon zurecht.
Als der Zug in Köln hielt, hat ein Fahrgaste höflich eine gute Besserung gewünscht.
Die Zeit hat jetzt alle Ausgaben seit 1946 ins Netz gestellt. Ein Paradies für Leute die Romane schreiben. Hier die Ausgabe vom November 1989. Interessant ist z.B. wie problematisch und kritisch die Wiedervereinigung gesehen wurde. Das will heute auch keiner mehr wahrhaben.
Aber mir ist das fast schon zu einfach. Mir fehlt die echte Recherche. Muffige Bibliotheken, unfreundliche wissenschaftliche Hilfskräfte an der Ausleihe, verlorene Bibliotheksausweise, blasse Mädchen in Rollkragenpullovern, der Geruch von Staub und vergilbtem Papier und die Fotokopierer. Besonders vermisse ich die Fotokopierer. Wer hat nicht schon mal sein Gesicht vervielfältigt oder seinen Arsch (mit und ohne Unterhose). Natürlich hat man nie das kopiert, was man später brauchte. Und wenn man es hatte, standen die entscheidenden Passagen am Rand, dort wo der Kopierer nur eine grau schwarze Fläche hinterlassen hatte. Die wichtigsten Sachen standen immer in diesen grauen Streifen. Herrlich! Das Schlimmste was uns passieren kann, ist, dass wir irgendwann die Welt wirklich im Griff haben.
Was immer auch passieren mag. Dieses Buch muss man lesen. Fabio Geovesi - Fische füttern. Zugegeben das ist kein wirklich zusammenhängender Roman. Es gibt Brüche und Stilwechsel. Eher ein Sammlung von skurrilen Geschichten. Aber das macht nichts. Fische füttern ist eine witzige, traurige und ausufernde Geschichte aus der italienischen Provinz, in der ein Haufen Schwachköpfe versucht dem Glück auf die Spur zu kommen. Komischerweise gibt es einige schlechte Kritiken im Netz. Und ich habe es zum halben Preis im Bahnhofbuchhandel erstanden. Was auch kein gutes Zeichen für den wirtschaftlichen Erfolg sein dürfte. Aber Kritiker haben halt auch keine Ahnung. Also lest dieses Buch.
Ein sonniger Tag. Meine Kamera steckt in einer braunen Tasche, die auch schon bessere Tage gesehen hat. Ich bin kein guter Fotograf, aber das macht nichts. Für das was ich vorhabe, reichen meine Fähigkeiten allemal.
Es fühlt sich ein bisschen komisch an, als das Ortschild vor mir auftaucht. Wenn man von Westen über die Bundesstraße 477 kommt, sieht man zuerst eine alte Villa, dann ein paar verfallene Gewächshäuser und eine Tankstelle, die vermutlich schon vor zehn Jahren aufgegeben wurde. So genau weiß ich das nicht, denn ich war seit über zwanzig Jahren nicht mehr hier.
Dahinter beginnt das Dorf. Klinkerfassaden, Winkeldächer, Fensterläden und staubige Gardinen. Die Silhouette erinnert an einen halb verdauten Pfannkuchen (mit Tankstelle). Es gibt keine Vorgärten. Dafür können sich die Bewohner anstandslos überfahren lassen, wenn Sie aus der Haustür treten. Der Bürgersteig ist schmaler als ein Badehandtuch. Ein Sattelschlepper donnert durch den Ort. Ich bleibe stehen. Der Luftzug zerrt an meinen Kleidern. Die Häuser sehen aus, als ob ich sie bei irgendetwas gestört hätte. Niemand ist zu sehen. Das ist gut. Ich biege ab und gehe eine schmale Gasse hinunter. Nach zehn Minuten erreiche ich den Friedhof. Er liegt außerhalb des Dorfes. Ich bin am Ziel. Wenn man erfahren will, was sich in einem kleinen Ort abgespielt hat, ist es ratsam zuerst den Friedhof besuchen. Die Toten lügen nicht.
Einige Platanen säumen den Eingang. Das Sonnenlicht bildet Inseln auf dem Asphalt. Der Eingang besteht aus einem einfachen Tor, das eine Backsteinmauer durchbricht. Die Steine sind dunkelrot. Einige Trauerweiden wachen über die Toten. Ich bin allein. Das hier ist der schönste Teil des Dorfes, denke ich. Auf einem Friedhof fühle ich mich immer seltsam glücklich. Vermutlich weil mir plötzlich klar wird, dass ich noch lebe.
Ich gehe durch die Reihen und suche das Grab meines Religionslehrers, der im Nebenberuf Pfarrer und Alkoholiker war. Es dauert nicht lange, bis ich es gefunden habe. Es liegt unter einer alten Trauerweide. Ein Zweig streicht über den Grabstein. Ich hole meine Kamera heraus und mache ein Foto. Einige Meter entfernt erhebt sich eine Frau. Eine Gießkanne baumelt in ihrer Hand. Ich hatte sie nicht bemerkt. Sie wirft mir einen sehr skeptischen Blick zu, sagt aber nichts. Ich mache noch ein paar Bilder aus einer anderen Perspektive und stecke die Kamera wieder ein. Die Frau lässt mich nicht aus den Augen, schaut mich aber auch nicht direkt an. So wie man einen bissigen Hund beobachtet, ohne ihn unnötig zu reizen. Vermutlich hält sie mich für gefährlich oder für geisteskrank. Wahrscheinlich für beides. Natürlich könnte ich ihr erklären, weshalb ich hier bin, aber das würde die Sache vermutlich noch schlimmer machen.
Als ich mich durch das hintere Tor des verdrücken will, fällt mir auf, dass der Friedhof vergrößert wurde. Diesen Teil kenne ich nicht. Die Wege hier sind heller und die Bäume noch jung. Kastanien. In den Gräbern liegen die Toten der letzten zwanzig Jahre. Einige Namen kenne ich. Ich verschiebe meinen Rückzug und mache einen kleinen Spaziergang durch die jüngere Geschichte meines Heimatdorfes. Nach ein paar Metern bleibe ich stehen. Ich schlucke. Eine Amsel fliegt durch eine Kastanienblüte. Es regnet weiße Blättern. Ich schließe die Augen und mache sie wieder auf. Vor mir liegt U.
U. wurde neben seinem Vater beigesetzt. Er war nicht einmal 40 Jahre, als er starb. Auf seinem Grabstein befindet sich ein emailliertes Bild. Er grinst. Solche Gräber gibt es sonst eher in Frankreich oder Italien. Aber dieses Bild wurde nicht im Süden aufgenommen. U. trägt einen Federhut und eine grüne Schützenuniform. Als ich mich hinab beuge, sehe ich, dass ich mich getäuscht habe. U. grinst nicht. Er lächelt. Und er sieht sogar glücklich aus. Vermutlich sind seine Schützenbrüder auf die Idee gekommen, ihn so zu bestatten. Ich kann mir jedenfalls nur schwer vorstellen, dass es sich um seinen letzten Willen handelte. Er wollte eigentlich nie in den Schützenverein. Jedenfalls nicht solange ich ihn kannte.
U. wohnte in der Siedlung. In dem einzigen Haus, das keinen richtigen Vorgarten besaß. Sein Vater hatte die handtuchgroße Fläche vor dem Haus einfach zubetoniert. In die Mitte stellte er einen quaderförmigen Kübel, in dem ein paar Blutberberitzen vor sich hin kränkelten. U. ging in meine Klasse. Er war ein kräftiger Typ mit blonden Haaren und etwas zu roten Wagen. Das fand ich jedenfalls. Andere behaupteten, er sei fett. Ich weiß nicht mehr, wie ich ihn kennen gelernt hatte. Vermutlich irgendwann in der Grundschule. U. lachte viel. Meistens über seine eigenen Witze. Er machte er jeden Morgen fünfzig Liegestütze und stemmte Gewichte. Sein Vater war Amateurboxer gewesen, bevor er in den Westen kam.
Im Grunde ist U. dafür verantwortlich, dass heute Literatur produziere. Jedenfalls gelegentlich. Nein, ich tue ihm Unrecht. Eigentlich ist er nur dafür verantwortlich, dass ich anfing zu lesen. Aber das Eine ergibt sich manchmal fast zwangsläufig aus dem Anderen. Doch das ist eine andere Geschichte. U. kam jedenfalls irgendwann in der Pause zu mir und behauptete er müsse mir von einem Buch erzählen. Schon damals war die Hauptschule so etwas wie der Ort der verlorenen Träume. Vielleicht hatte sie diese Eigenart noch nicht so vollständig angenommen wie das heute der Fall ist. Aber normalerweise unterhielten wir uns auf dem Schulhof hauptsächlich über die neusten Horrorfilme und die Schlachtszenen im Spätprogramm. Bücher kamen eigentlich nur zur Sprache, wenn sie nackte Tatsachen enthielten. Auch aus diesem Grund war ich nicht abgeneigt mir die Geschichte anzuhören, die U. zu erzählen hatte.
Allerdings kam mir die Sache schon bald einigermaßen seltsam vor. Das Buch trug den seltsamen Titel: Der Abenteuerliche Simplizissimus. Es ging um Furzen, Fressen, Ficken und irgendeinen Krieg, der vor vierhundert Jahren stattgefunden hatte. Das war nicht zu verachten, entsprach jedoch nicht ganz meinen Erwartungen. Aber wenn U. einmal angefangen hatte, war er schwer zu bremsen. Später habe ich herausgefunden, dass er es nicht einmal gelesen hatte. Er kannte nur die Fernsehserie. Aber das fiel mir erst viel später auf. Noch länger habe ich gebraucht, um zu begreifen, weshalb er mich damals belogen hatte.
Einige Tage später werde ich in einem Zeitungsartikel aus dem Jahr 2002 erfahren, dass er Schützenkönig war. Er hatte zwei Kinder und eine polnische Frau, die es in einem kleinen Dorf sicher nicht leicht hatte. „König U. liest gerne und fertigt Holzarbeiten für die Kinder an.“ Vier Jahre später erhängte er sich auf dem Dachboden seines Elternhauses.
Gewohnheit und Erkenntnis werden oft miteinander verwechselt. Meistens wissen wir nicht wirklich wie die Dinge sind. Wir gewöhnen uns nur an sie und hören auf zu fragen. Zum Beispiel kann ich eigentlich nicht erklären, weshalb ich nach unserem Gespräch in die katholische Leibücherei ging, um mir das Buch auszuleihen. Aber ich tat es. Vielleicht wollte ich dem U. keinen Vorsprung einräumen.
Es gab einen unausgesprochenen Wettbewerb zwischen uns. Wir wollten raus aus dem gottverlassenen Nest, in das uns das Schicksal und die Mittellosigkeit unsere Eltern verschlagen hatten. Seine Familie kam aus Halle und hatte den gelobten Westen Land nur mit einem Rucksack und ein paar Kleidungsstücken erreicht. Mein Vater war in der Eifel aufgewachsen. Auf einem Bauernhof mir drei Kühen und vier Schweinen, ob er einen Rucksack hatte, weiß ich nicht.
Als wir in der 8. Klasse waren, erzählte mir U., dass man nach der Hauptschule ein Gymnasium besuchen konnte. Vorausgesetzt man hatte einen entsprechenden Notendurchschnitt. Es gab sogar einen Tag der offenen Tür. Es war ein Montag. Schüler, die auf das Gymnasium wechseln wollten, konnte sich die Schule anschauen und sogar am Unterricht teilnehmen. Wir gingen gemeinsam hin. Ich erinnere mich an den Moment, als wir die Klasse betraten. Schweigen. Ein paar leere Stühle standen in der letzten Reihe. Die Gymnasiasten schauten uns an, als hätten wir Verdauungsprobleme.
Als ich ein paar Wochen später zu ihm kam, lag seine Mutter im Bett und trug einen dicken Kopfverband. Sie war die Marmortreppe hinunter gefallen. Morgens um zehn. U. erzählte mir leise, dass seine Mutter Alkoholikerin sei. Und er erklärte mir, dass es sich dabei um eine Krankheit handelte. Seltsamerweise hatte er mir früher nie davon erzählt und ich hatte natürlich auch nichts gemerkt. Ich hatte immer gedacht, sie sei einfach jemand der gerne schläft, wenn sie mir mit glasigen Augen und wirren Haaren die Tür öffnete. Heute weiß ich, dass sein Vater den Vorgarten betoniert hatte, damit niemand im Dorf behaupten konnte, dass seine Frau ihren Vorgarten nicht pflegte.
Der Sturz hatte einen Schädelbruch verursacht. Als ich das Krankenzimmer betrat, sah sie mich nicht einmal an. Niemand wusste ob sie wieder gesund werden würde. Jedenfalls trinkt sie jetzt nicht mehr, sagte U. zu mir. Er klang, als hätte er gewonnen. Er musste einige Tage nicht in die Schule. Als ich ihn wiedersah, hatte er sich verändert. Insgesamt fiel seine Mutter noch zweimal die Treppe hinunter. Aber sie verletzte sich nicht mehr so schwer wie beim ersten Mal. Aber U. hatte sein Ziel aus den Augen verloren. Danach hörte sie auf zu trinken. Jedenfalls für einige Wochen. Er schaffte den Notendurchschnitt nicht und fing eine Lehre an. Ich wechselte ein Jahr später auf das Gymnasium und habe ihn nicht mehr wieder gesehen.
Ich schaue mich um. Die Alte ist verschwunden. Ich hole die Kamera heraus und mache ein Foto. Eigentlich ist es ein schönes Grab. Für den aktuellen Roman wird es keine Rolle spielen. Anders als das Grab des Pfarrers. Aber man kann nie wissen.
In Zeiten des abnehmenden Lichts“ erzählt Eugen Ruge von seinen (oder eher von einem) Vater, der sieben Seiten täglich schreibe. Gut, der beschriebene Mann war Historiker. Aber SIEBEN SEITEN! Ich bin froh, wenn ich einen guten Satz hinkriege. Meistens schmiere ich ein oder zwei Seiten voll bis ich meinen Satz habe. Dann höre ich auf. Kommt der Satz früher höre ich auch auf.
Das ist mein Satz. Er stammt aus einem Artikel in der Zeit über irgendeinen israelischen Jazzmusiker, der mit 16 Jahren angeblich spät angefangen habe. 'Drei Jahre, und du spielst wie Keith Jarrett. Und weißt du warum? Weil Talent nicht existiert.'
Ich glaube das auch. Es gibt kein Talent. Es gibt nur den Willen sich vollständig für etwas aufzureiben. Ich finde sogar, dass es sich um einen besonders hirnverbrannten Begriff handelt. Wieviele Leute finden niemals einen Zugang zu Mathematik oder Musik oder Sprache, weil sie der Überzeugung sind, sie hätte kein Talent dafür. Das ist Quatsch. Alles was Menschen können, ist auch durch Menschen erlernbar. In diesem Zusammenhang fällt mir eine Anekdote über Artur Rubinstein ein, die ich vor einigen Jahren in einem Radiofeature gehört habe:
Bewunderter : Herr Rubinstein, ich würde alles tun, um so spielen zu können wie Sie!
Rubinstein : Auch fünf Stunden jeden Tag üben?
Klar kann nicht jeder Rubistein werden, aber klavier spielen, kann trotzdem jeder lernen.
Gewöhnlich mache ich mir nicht viel aus Klassikern. Aber manchmal werde ich eben doch schwach und greife zur gehobenen Literatur. Vielleicht möchte ich damit meine niedere Herkunft verschleiern oder ich versuche von der Tatsache abzulenken, dass ich zur Miete wohne und einen schrammeligen Kleinwagen fahre. Wie dem auch sei, derzeit lese ich gerade Moby Dick und stelle fest, dass es sich um ein ziemlich unterhaltsames Buch mit einigem Humor handelt.
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